...oder...?

Eine sprachliche Unsitte, die mir persönlich noch nicht lange bewusst ist, ist das angehängte "...0der..." an Fragen. Beispiel: "Gehst du jetzt zum Bäcker oder?" Das ist merkwürdig. Wenn dann wenigstens eine Alternative angeboten würde, also á la "Gehst du jetzt zum Bäcker oder zum Supermarkt?", würde der Satz Sinn ergeben. Es ist aber auch kein Einholen von Bestätigung des vorher Gesagten, also nicht "Du gehst jetzt zum Bäcker, oder?" Die Frage wird in dem hier vorgestellten Fall quasi hoffnungsvoll erweitert, das "oder" hängt in der Luft und wartet qualvoll auf Vervollständigung.

Mit dem "oder" wird eine klare, geschlossenen Frage, auf die man nur mit ja oder nein antworten bräuchte, geöffnet. Es wird eine "oder"-Frage daraus gemacht, auf die man zumindest mit "Ja, zum Bäcker" antworten muss, um Verwirrung zu vermeiden. Damit nimmt eine sprachliche Verwurstelung in Kauf, die zum Beispiel englische Austauschschüler, die Deutsch als Fremdsprache gelernt haben, in grausame Verwirrung stürzen muss.

Erklärungsansätze, die ich gefunden habe, greifen nicht, aber ich bin auch keine Sprachwissenschaftlerin. Erste Theorie: aus dem Angelsächsischen übernommen. Das passt fast immer, so etwa bei "nicht wirklich" als Alternative zum korrekten "eigentlich nicht" oder "Sinn machen" statt "Sinn ergeben". Allerdings würden Amerikaner nicht sagen: "Do you go to the bakery, or...?" Passt also nicht. Zweite Theorie: unbewusst wird versucht, das Gespräch am Laufen zu halten. Wie schon erwähnt, ist es der unbeholfene Versuch einer offenen Frage. Da offene Fragen gewohnheitsmäßig schwerer zu formulieren sind als geschlossene, spart man sich damit eine Menge Denkarbeit. Das funktioniert aber nur bedingt, da man auf solche Fragen nicht gerade ausschweifend antwortet und das Gespräch damit eine merkwürdige Unbestimmtheit bekommt. Damit komme ich zur dritten Theorie: Der Sprechende versucht höflich, den Gesprächspartner nicht festzulegen und ihm alle Optionen offen zu halten. Könnte ja sein, dass der Besagte gar nicht zum Bäcker gehen will und sich nur nicht traut, das zu sagen, respektive zu faul ist, die Planänderung zu begründen.

Was auch immer der Grund ist: es ist unelegant. Ich werde zumindest an mir arbeiten und versuchen, das zu vermeiden. Die Entwicklung der gesprochenen Sprache ist zwar sehr wertvoll und unabdingbar, aber ich weigere mich zu glauben, dass ein solches Konstrukt jemals Bestandteil einer Rechtschreib-, Grammatik- oder sonstigen Reform sein wird.

Oder?
Karlson v. Dach - 27. Mär, 14:59

Zum Glück

kenne ich niemanden, der so etwas tut.

sakra - 28. Mär, 15:57

Ich mach das manchmal. Und noch kennen wir uns.

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George R. R. Martin
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Die Nacht des Zorns

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