Die letzten Wochenende waren von zwei Familienfeiern geprägt. Auch wenn es Parallelen gab, so etwa die Anzahl der Gäste, die Feierlichkeit des Anlasses und die gute Stimmung, so hätten sie dennoch nicht unterschiedlicher sein können.
Der 90. Geburtstag meiner Oma machte den Anfang. Derselbe Gasthof wie in den letzten 15 Jahren, dieselben Familienmitglieder der sehr verzweigten Anverwandtschaft, dieselben älter gewordenen Cousins, die sich wieder benehmen, als wären sie 17 Jahre alt. Man sang das Pommernlied und "Hoch auf dem gelben Wagen". Tradition war wohl das Stichwort, und eine leichte Enzeitstimmung, die sowieso jedes Jahr zunimmt, denn "es könnte ja der letzte Geburtstag sein". Das wird allerdings schon seit 15 Jahren behauptet, und langsam glaube ich, dass Oma uns alle überlebt, aus reinem Trotz. Eine leichte Brise des Neuen wehte trotzdem durch den Saal, in Form meiner schwangeren Schwester mit ihrem Verlobten und dem Freund meiner anderen Schwester, die mal eben in den Kreis eingeführt wurden.
Am nächsten Wochenende wurde diese Vorahnung mit voller Wucht zur Realität. Schwangere Schwester wird zur ehrbaren Frau gemacht, behält ihren Nachnamen (yeah!!! Das ist meine Schwester!) und bringt mit ihrer Ehe die Familie ihres Gatten ins Spiel. Einfach mal eben einen ganz neuen Familienzweig angedockt zu bekommen ist auch eine Erfahrung, die nicht ganz alltäglich ist! Vor allem waren die Unterschiede deutlich. Mein Schwager stammt aus einer Patchwork-Familie mit wahnsinnig hohen Anteilen von ITlern, bei uns ist es eher die arm-und-sexy-Fraktion mit hohen Anteilen von Kreativen und Drogenvergangenheiten. Um es kurz zu machen: wir waren die Rampensäue. Aber lieb.
Insgesamt hat alles super geklappt, die Braut war schön, die Hochzeitsspiele überschaubar, das Essen gut und hinterher alle glücklich. Und jetzt ists auch gut bis Weihnachten.
sakra - 27. Sep, 10:00
Das ist enorm rätselhaft. Warum ist es so eine Herausforderung, eine neue Rolle Klopapier im Klopapierhalter zu befestigen, wenn die alte Rolle zur Neige gegangen ist? Warum? Warum machen die Jungs das nicht einfach? Fragen, die sich meine Mutter sicherlich auch oft über mich gestellt hat.
Aber gut. So wirds jedenfalls nie langweilig, wenn man auf die Toilette geht, es erwarten mich immer andere Situationen. Der Klassiker ist natürlich, einfach das Klopapier aufzubrauchen und dann fröhlich von dannen zu ziehen. Ebenfalls beliebt: die aufgebrauchte Rolle hängen lassen und die neue Rolle darauf stellen. Einen Schritt weiter gedacht ist immerhin die Variante, die alte Rolle auf den Boden zu werfen und die neue Rolle aufzuhängen. Oder aber besonders gewieft: noch genau ein Blatt hängen zu lassen, damit der nächste das leidige Rollenwechseln durchführen muss.
Das sind schon Füchse, meine Mitbewohner.
sakra - 22. Sep, 10:38
Wenn man nach dem morgendlichen Kaffee seine geschwollenen Mandeln auf Eiterpünktchen untersucht,kommt man in den vollen Genuss der farblichen Kombination "kaffee-gelb-bräunliche Zunge" und "leuchtend rote Mandeln". Ist schon ein Ding, wie so ein Mundinnenraum variieren kann!
Aber zumindest keine Eiterpünktchen.
sakra - 21. Sep, 08:35
Am Wochenende war ich in der Premiere von Jud Süß. Ich finde, das Prozedere drumherum war geradezu enttäuschend profan: Ich habe Karten für jeweils 5,90€ an der Kasse gekauft und dann konnte ich mitsamt Begleitung zur Premiere. Zwar war Moritz Bleibtreu angekündigt, aber der kam natürlich nicht. Ich habe mir allerdings bestätigen lassen, dass er wirklich ziemlich klein ist! Das Glamouröseste am Abend war, dass freie Platzwahl war und aus irgendwelchen ominösen Gründen sowohl meine Begleitung als auch ich uns gegenseitig Lollies mitgebracht haben. So gab es jeweils einmal Lakritz- als auch Brauselollies, die Mitbewohnerchen mit großen Augen staunend verspeiste ob der Brause, die da so rausschäumte.
Der Fim selber gefiel. Es geht um die Entstehung des Propagandafilmes "Jud Süß" unter joseph Göbbels, der den Juden an sich in seiner ganzen Abscheulichkeit darstellen sollte. Als Grundlage, allerdings extrem frei interpretiert, diente ein Roman von Lion Feuchtwanger, selber Jude und damit gleichzeitig indirekt Legitimator des Filmes. Allerdings dichtete der von Goebbels engagierte Veit Harlan als Regisseur etwa eine Vergewaltigungsszene hinzu, die in Feuchtwangers Vorlage nicht vorkam. Was ich persönlich nicht wusste: "Jud Süß" darf als Propagandamaterial in Deutschland nicht gezeigt werden, nur in einem bildungspolitischen Kontext nach Beantragung bei der Gesellschaft, die die Rechte für den Film besitzt.
Die Hauptfigur des Filmes ist der Hauptdarsteller des Filmes "Jud Süß", Ferdinand Marian, mittelerfolgreicher Schauspieler. Dieser ist politisch eher desinteressiert und fühlt sich den Regeln des Nationalsozialismus nicht verpflichtet. Seine freundschaftlichen Verbindungen zu Juden in der Theater- und Filmszene führen dazu, dass er nach Angebot der Rolle des Jud Süß dieses ablehnt. Letztendlich wird er jedoch von Goebbels dazu gezwungen. Der Film zeigt die Entstehung des Filmes, die anschließende Promotiontour und den darauffolgenden persönlichen und nach Ende des Krieges auch beruflichen Abstieg von Ferdinand Marian, begründet durch seine moralischen Nöte, da er mit dem Film gegen seine Überzeugungen verstößt.
Tobias Moretti als Ferdinand Marian war unfassbar großartig. Ich habe ihn nicht wiedererkannt, was wahrscheinlich auch gut war, da ich sonst die ganze Zeit "Kommissar Rex, Kommissar Rex" gedacht hätte, das hätte den Filmgenuss geschmälert.
Etwas merkwürdig ´fand ich Moritz Bleibtreu als Goebbels. Ich kann mich nicht entscheiden, ob er extrem unsubtil gespielt hat oder so subtil, dass ich es einfach nicht gemerkt habe, WIE subtil er war. Goebbels kam sehr überzogen, fast karikativ bei mir an. Viel Geschrei, affige Bewegungen, ein schleimiger Jovialismus - da kam bei mir die Frage auf, wie Goebbels von seinen Zeitgenossen ernst genommen werden konnte. Dazu ein extremer Wechsel mit kalter Berechnung und fiesem Druck, unterschwelligen Drohungen... Das widerum war glaubwürdig, aber trotzdem hat mich die Darstellung irritiert. Überhaupt die Darstellung von Nazis, egal wo der Film gedreht wurde: Warum lachen die immer so künstlich? Soll das irgendetwas aussagen? War in Inglourious Basterds auch so.
Ladies and Gentlemen, der Bechdel-Test! Wir erinnern die Kriterien: 1.Mindestens zwei (namentlich genannte) Frauen kommen in dem Film vor.
2.Sie reden miteinander …
3.… über ein anderes Thema als einen Mann.
1. Es kamen viele Ehefrauen, ein Hausmädchen und spätere Ehefrau sowie zahlreiche Geliebte vor. Das Frauenbild war etwas einseitig, aber die Frauen waren da und hatten oft einen Namen.
2. Sie sprachen vor allem auf Festen und Empfängen miteinander, aber zu Beginn sprach vor allem Marians Ehefrau öfter mal mit dem Hausmädchen.
3. Die beiden sprachen über Männer, das will ich nicht verhehlen, aber auch mal über den Haushalt. Der Small Talk auf den Empfängen handelte immerhin ab und zu von dem Film "Jud Süß", aber zumeist in dem Tenor: "Sie müssen sehr stolz auf Ihren Mann sein!"
Ich sage mal: höchstens knapp bestanden.
sakra - 20. Sep, 08:01
So könnt es immer sein!
Kehre gerade von einem Termin mit dem Senator zurück. So ein Schnuppern am Geruch der Macht, das macht wach! Ich will auch mal, dass man mir so konzentriert zuhört, wenn ich was erzähle. Wobei ich zugeben muss, dass der Mann ziemlich viel gekichert hat, das machte ihn schon fast zu menschlich. Nächster Höhepunkt des Tages: Um 13 Uhr gehts ins Wochenende, erster Punkt auf der Liste: Sushi-Büffet. Danach klettern, und heute Abend soziale Aktivitäten.
Am Wochenende wird es dann hektisch: Freitag bekomme ich Besuch aus Bremen, danach geht es ins Kino zur Premiere von Jud Süß, wo ich mir Moritz Bleibtreu mal aus der Nähe ansehen werde. Bestimmt ist er viel kleiner, als man denkt! Ist beim Senator auch so, ich kenne mich jetzt aus mit Männern, die in der Öffentlichkeit stehen. Samstag Familienfest, danach eine Gebutstags-Sause, und Sonntag ist ausruhen angesagt. Wow. Da stört auch der Herbstbeginn nicht weiter.
sakra - 16. Sep, 10:46
Agatha Christie würde heute 120 Jahre alt werden. Da feiere ich mal eben ein bisschen innerlich! Wie der Zufall es will, habe ich gerade ein Werk von ihr in meiner Tasche, zum Lesen in der Bahn. Dafür und zur gehirnlichen Entspannung sind ihre Geschichten nämlich perfekt. Ich weiß, dass es die ersten Bücher waren, die ich aus dem Krimiregal meiner Mutter lesen durfte, ich war etwa sieben Jahre alt (Stephen King durfte ich erst mit 12, aber dann fing stieg ich auch sofort mit "Carrie" ein. Ich fühlte mich sehr erwachsen!) und empfand die Lektüre als absolut meinem Alter angemessen.
Finde ich jetzt, 23 Jahre später, immer noch. Das sind noch Krimis der guten alten Schule - nicht mal Fingerabdrücke werden zur Ermittlung benutzt, sondern nur die ollen zwischenmenschlichen Beziehungen, Motiv und Möglichkeit, und das alle mit einem durchaus liebevollen Blcik auf die bekloppten Mitmenschen.
Danke, Agatha, für viele Stunden Mußegang!
sakra - 15. Sep, 12:50
S-Bahn, Samstag nachmittag, hinter mir drei halbstarke Jungs im Rapper-Baggy-Style, umgedrehte Kappies, goldene Schuhe und so, laut unterwegs.
"Ey Digger, so was kannst du doch nicht zu der sagen, Alda! Das meinst Du doch gar nicht so. Du musst einfach auch mal Deine Gefühle zeigen, sonst wird das nie was! Nicht immer so auf harten Ghetto-Gangsta, Digga."
Ooooooh, süß.
sakra - 14. Sep, 11:53
Sonntag Abend. Weißwein vom Samstag erfolgreich verarbeitet, Möbel gestrichen, Stream gestartet, Tatort. Mitbewohner wühlt sich wohlig in seine Decke, weil die Lieblings-Tatorts-Kommissars-Tochter alsbald die Szenerie betritt - da stört es auch kaum noch, dass er wegen akuter Erkältung nur leise röchelnd durch den Mund atmen kann. Noch bemerkenswert an dieser Folge: erstaunlich viele Männerbrüste, weil alle älteren Herren leichte Shirts ohne BH trugen und man das ganz deutlich sehen konnte! Brr!
Zwei bis drei Familien (bei diesem ganzen Patchwork ist das ja immer schwer zu zählen, nicht wahr?) standen diesmal im Fokus der Ermittler. Die junge Frau, deren Leiche gefunden wurde, war verlobt mit einem älteren Mann, der seine Ex-Familie noch an der Backe hat. Die 15jährige Tochter aus ebendieser Ex-Familie ist zusammen mit dem 16jährigen Sohn einer anderen Familie, deren Vater, wie bald herauskommt, ein Verhältnis mit der Ermordeten hatte. Da die Ermorderte schwanger war, zähle ich das auch als Familie. Der 16jährige Sohn und seine Freundin waren in der Mordnacht in der Wohnung der Ermordeten, deshalb wird gegen beide ermittelt, aber auch der Vater des Sohnes gerät in den Kreis der Verdächtigen.
Das war ein okayer Tatort ohne Höhen und Tiefen, abgesehen von den oben erwähnten Männerbrüsten.
Also denn: der Bechdel-Test! Wir erinnern die Fragen, die wir uns stellen müssen:
1.Kommen im Film zwei oder mehr Frauen vor, die Namen haben?
2.Sprechen diese miteinander?
3.Sprechen diese miteinander über etwas anderes als einen Mann?
zu 1.: Es kommen viele Frauen vor. Die Leiche, die Assistentin der Komissare, die Tochter des Verlobten der Ermordeten, dessen Ex-Frau, die Ehefrau des Liebhabers der Ermordeten.
Zu 2: diese sprechen nicht miteinander. Die Assistentin fordert mal jemanden auf, sich zu setzen, oder die Mutter sagt zur Tochter "Geh in dein Zimmer", aber als Gespräche oder eigenständige Interaktion werte ich das nicht.
ZONK. Nicht bestanden.
Merke: wenn es um Familien geht, wird der Bechdel-Test nie bestanden. Never. Nicht mal im Tatort. Da wird nur über Männer agiert. Wenn die Ermittlungen sich eher im beruflichen Kontext der Ermordeten abspielen, ist das anders, so mein neuester Theoriestrang. Auch dies wird weiter beobachtet.
sakra - 13. Sep, 08:43